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Teil 1: Fürsorge: Quo vadis? Ethische Einordnungen und Zukunftsperspektiven der Deckung wachsender Care-Bedarfe (Hauptseminar), Dozent: Jun.-Prof. Dr. Jonas Hagedorn, WS 23/24, GABF 04/714, Fr 10-12 Teil 2: Philosophie des Todes (Seminar), Dozent: Dr. Christian Weidemann, WS 23/24, GA 6/134, Di 10-12 Der seit langem prognostizierte demographische Wandel ist in Deutschland mittlerweile in vollem Gange: Die Lebenserwartung der Menschen steigt (die Corona-Jahre dürften eine Anomalie bleiben), während Geburtenraten auf eher niedrigem Niveau verharren. Mancherorts ist von einem Pflegenotstand die Rede. Transhumanisten und Start-Up-Unternehmer im Silicon Valley träumen derweil von einer Verlangsamung oder gar Überwindung des menschlichen Alterungsprozesses. Angesichts der aktuellen und der möglicherweise noch bevorstehenden Herausforderungen tut Reflexion dringend not. Das Modul will die Themen Sorge / Pflege sowie Krankheit, Alter, Sterben und Tod aus philosophisch-metaphysischer, sozialethischer und politisch-praktischer Sicht beleuchten und so die Studierenden dazu befähigen, in den derzeit geführten Debatten kompetent mitzureden. Inhaltliche Beschreibung, Teil 1: In den nächsten Jahrzehnten ist in Deutschland mit einem deutlichen Zuwachs an Sorgebedarfen zu rechnen. Die geburtenstarken Jahrgänge der sog. Babyboomer werden pflegebedürftig, und noch ist eine klare und politisch mehrheitsfähige Vorstellung der Neuordnung des Sorgens in unserer Gesellschaft nicht absehbar. Längst ist von einer Care-Krise die Rede. Prekär versorgte Pflegebedürftige, erschöpfte pflegende Angehörige und Beschäftigte, denen kaum Zeit für beziehungsorientierte Care-Arbeit bleibt und die in der alltäglichen Arbeit moralische Verletzungen erfahren, prägen das Bild. Das Hauptseminar widmet sich u.a. folgenden Fragen: Welche Sorgearrangements dominieren gegenwärtig, unter Berücksichtigung der hohen Zahl migrantischer Arbeitskräfte in privaten Haushalten? Wie kann Sorgearbeit, darunter die Pflege, als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, verstanden und gerecht organisiert werden? Wer leistet bezahlt, oft aber unbezahlt Sorgearbeit? Und unter welchen Bedingungen werden diese Leistungen, die Menschen existentiell betreffen, erbracht? Das Seminar bietet Einblicke in feministische Care-Theorien und intersektionale Analysen, identifiziert gesellschaftliche Machtasymmetrien und Konflikte bei der Organisation der Deckung von Sorge- und Pflegebedarfen und nimmt sozialethische Bewertungen unterschiedlicher Regelungs- und Reformvorhaben vor. Ins Seminar sollen auch Praktiker:innen eingeladen bzw. im Rahmen des Seminars Einrichtungen aufgesucht werden. Inhaltliche Beschreibung, Teil 2: Wir werden uns mit vier philosophischen Fragekomplexen befassen: a) mit begrifflichen Problemen rund um Leben, Krankheit und Tod; b) mit der Bewertung von Tod und Unsterblichkeit; c) mit Rechten und Pflichten von chronisch Schwerstkranken und Sterbenden; d) mit den (vermeintlichen oder tatsächlichen) Rechten und Interessen von Toten. a) Was heißt es zu leben? Was sind Krankheit und Behinderung? Handelt es sich um objektive körperliche Fehlfunktionen oder vielmehr um soziale Konstruktionen? Was ist der Tod? Sind die Kriterien zur ärztlichen Bestimmung des Todeszeitpunkts in Deutschland angemessen geregelt? Wer oder was stirbt, wenn jemand stirbt? Ein Organismus, ein Geist, eine Person? b) Ist der Tod ein Übel für denjenigen, der stirbt? Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft der Tod weder die Lebenden noch die Gestorbenen. (Epikur) Umgekehrt: Erscheint die Aussicht auf ein unendliches Leben nicht schrecklich öde? Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende. (Woody Allen) Wäre Unsterblichkeit daher vielleicht ein Fluch? c) Haben chronisch Kranke und Sterbende auch dann ein Recht auf Zuwendung und Pflege, wenn die persönlichen und finanziellen Ressourcen von Familie und/oder Gesellschaft eng begrenzt sind? Was ist, wenn mit den aufgewendeten Mitteln andernorts viele Menschen vor dem Tod bewahrt werden könnten oder wenn zuhause die junge Generation aufgrund der Pflege von Alten stark zurückstecken muss? Erschiene das nicht als zutiefst ungerecht? Der Bioethiker John Hardwig hat gar behauptet, dass es nicht nur ein Recht auf Suizid, sondern manchmal auch eine Pflicht zum Suizid gebe, falls man anderen zur Last fällt. Stimmt das? d) Es scheint, dass Tote keine Rechte oder Interessen haben können, denn schließlich existieren sie nicht mehr. Doch warum sollten wir uns dann z.B. an Testamente halten? Falls die Hinterbliebenen sich einvernehmlich und im Geheimen darauf einigen, die Wünsche des Verstorbenen zu missachten, wem sollte das schaden? Und warum interessieren sich so viele Menschen dafür, wie die Nachwelt oder gar wie die Geschichte sie einmal beurteilen wird? Ist das am Ende Ausdruck einer geistigen Verwirrung? |