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Teil 1: Einführung in die Anthropologie (Vorlesung), WS 24/25, Di 14-16, GA 03/149 Teil 2: Philosophie der Sexualität, WS 24/25, Fr 10-12, GABF 04/714 „Alle Philosophen haben den gemeinsamen Fehler an sich, dass sie vom gegenwärtigen Menschen ausgehen und durch eine Analyse desselben an’s Ziel zu kommen meinen. Unwillkürlich schwebt ihnen ‚der Mensch‘ als eine ewige Wahrheit, als ein Gleichbleibendes in allem Strudel, als ein sicheres Maß der Dinge vor. Alles, was der Philosoph über den Menschen aussagt, ist aber im Grunde nicht mehr als ein Zeugnis über den Menschen eines sehr beschränkten Zeitraumes.“ (Menschliches, Allzumenschliches, §2) Hat Nietzsche Recht? Oder gibt es vielleicht doch eine über alle Epochen und Kulturen hinweg gleichbleibende Bestimmung oder Natur des Menschen? Falls ja, worin könnte sie bestehen? Dieser Frage spürt die Vorlesung des Moduls nach. Im Seminar werden wir uns auf einen wichtigen Teilbereich der philosophischen Anthropologie konzentrieren: die Sexualität: In Deutschland wurde jüngst das sog. Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, das den (rechtlichen) Wechsel des Geschlechts zu einem unkomplizierten Verwaltungsakt macht. Politiker werden mit der Frage „Was ist eine Frau?“ in Verlegenheit gebracht. Tatsächlich oder vermeintlich neue sexuelle Identitäten, Orientierungen und Lebensmodelle („non-binär“, „genderqueer“, „pansexuell“, „polyamöros“ etc.) haben Konjunktur. Die MeToo-Bewegung hat die Frage, was als sexuelle Zustimmung oder Belästigung zählt und was nicht, ins allgemeine Bewusstsein gerückt. Soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Fehlentwicklungen erscheinen vielerorts als das Ergebnis einer männlich, heteronormativ (und weiß) geprägten Historie. Die katholische Kirche beharrt derweil auf Pflichtzölibat und grundsätzlicher Ablehnung von Masturbation, Homosexualität und Frauenweihe. Wer sich an Debatten um diese Dinge mit mehr als nur den immer gleichen Phrasen beteiligen will, wird im Modul wichtige philosophische Argumente und Gegenargumente kennenlernen. Inhaltliche Beschreibung Teil 1: Die Philosophische Anthropologie entfaltet die Frage des Menschen nach sich selbst: Wer sind wir eigentlich? Was macht uns als Menschen aus? Gibt es so etwas wie ein „Wesen des Menschen“? Haben wir eine Seele, die uns von anderen Lebewesen unterscheidet? In der Vorlesung wird die große Bandbreite der Antworten sichtbar, die der Mensch sich auf die Frage nach sich selbst gegeben hat. Manche davon sind heute Schlagworte geworden: „Der Mensch ist das vernünftige Lebewesen“, „Der Mensch ist das Lebewesen, das Sprache hat“, „Der Mensch ist dem Menschen Wolf“, „Der Mensch ist das noch nicht festgestellte Tier“, „Der Mensch ist ein ontologisches Mängelwesen“. Die Themen der Vorlesung reichen von der klassischen Frage nach dem „Wesen“ des Menschen über die Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach dem Tod, nach der Seele, bis hin zu Themen wie Freiheit und Sozialität Inhaltliche Beschreibung Teil 2: Funktionieren die Ausdrücke „Frau” und „Mann“ genauso wie die Ausdrücke „Henne“ und „Hahn“? Oder bezeichnen sie (auch) soziale Rollen? Sind Trans-Frauen Frauen und Trans-Männer Männer? Ist das menschliche Geschlecht binär? Was bedeutet „Gender“? Was ist eine sexuelle Orientierung? Lassen sich Heterosexualität oder Monogamie als Normen verteidigen? Falls nicht, warum nicht? Was ist eine Ehe (metaphysisch betrachtet)? Können / sollten gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen werden? Ist beim Sex alles erlaubt, solange es einvernehmlich passiert? Was heißt „einvernehmlich“? Gibt es Formen von Sex (Masturbation, Analverkehr, Promiskuität, BDSM usw.), die defizitär oder gar unmoralisch sind? Wie ist es um das Verhältnis von Sex und Liebe bestellt? Sollten Prostitution und/oder Pornographie verboten werden? Wann sollte man von „Sexismus“ oder „Misogynie“ sprechen? Gibt es auch eine unfaire Diskriminierung von Männern und Jungen? Fragen, die die menschliche Sexualität betreffen, gehen ans Eingemachte. Sie betreffen den Kern des Selbstverständnisses der meisten Menschen. Wir werden uns mit einem breiten Spektrum an Themen und philosophischen Positionen beschäftigen. Dabei ist es unvermeidlich, dass Teilnehmer auch mit Meinungen konfrontiert werden, die sie für empörend oder absurd halten. Bei Auswahl der Texte wird allein die philosophische Relevanz und Qualität zählen. Wer nicht bereit ist, sich in seiner eigenen (sei es eher „konservativen“, sei es eher „progressiven“, sei es eher „genderkritischen“ etc.) Haltung herausfordern zu lassen und philosophische Argumente konstruktiv mit Andersdenkenden zu diskutieren, ist im Seminar fehl am Platz. |